FLINTA* Mehrseillängen Kurs im Tessin (vergangen)

25.11.2024, Eine Teilnehmerin

Am Sonntag Abend, 15. September 2024, ist es soweit: endlich sitzen wir voller Wiedersehens- und Vorfreude zu viert auf einer Picknickdecke auf dem Campingplatz „Piccolo Paradiso“ im Schweizer Kanton Tessin, nahe Locarno. Fast hätten wir den Kurs absagen müssen: denn während hier gerade die Sonne noch auf den letzten Bergspitzen steht, gab es in Österreich einen frühen Kälteeinbruch mit Neuschnee — heftige Unwetter sollen folgen. Zum Glück konnten wir noch rechtzeitig umplanen. Während wir uns tief über köstlich dampfende Plastikteller beugen, tauschen wir Neuigkeiten und Erlebnisse von der Anfahrt aus und planen die Inhalte der kommenden Tage.

Am Montag beladen wir eins der Autos mit vier großen Rucksäcken voller Seile, Exen und anderem Kletterequipment und machen uns nach einem gemeinsamen Frühstück früh auf in Richtung Fels. Das Klettergebiet in dem wir unterwegs sein werden ist geprägt von geneigten sehr rauen Granitfelsen. Anders als bei Kalkgestein brauchen die Kletterschuhe auf diesem Fels quasi keine definierten Tritte, sondern haben guten Halt. Das ist zu Anfang sehr ungewohnt und deswegen verbringen wir den ersten Tag damit, kürzere Routen zu klettern, um uns an den Fels zu gewöhnen und am Boden die Abläufe für den Standplatzbau zu wiederholen, die wir im Frühling schon bei einem Kurs im Ith gelernt haben.

Wie an jedem der noch folgenden Abende kehren wir nach dem Tag am Fels glücklich und erschöpft zurück auf den Campingplatz und lassen den Tag mit gemeinsamem Kochen und Gesprächen ausklingen.

Mittwoch ist es dann soweit: wir haben zwei Tage lang fleißig geübt, Stände gebaut, Seile hoch oben in der Wand entwirrt — die Abläufe sitzen. Heute soll es in die erste richtige Mehrseillänge gehen! Schon am Tag davor haben wir die Route geplant und durchgesprochen, das Wetter gecheckt und einen Rucksack gepackt mit dem Nötigsten, den wir mit hoch nehmen werden. Leider ist eine von uns am Morgen zu krank um mitzukommen. Zwar kann man auch zu dritt eine Mehrseillänge klettern, das erfordert aber eine andere Sicherungstechnik, die wir bisher nicht geübt haben. Hoch wollen wir trotzdem. Deswegen klettert Theresa, unsere Trainerin, alle fünf Seillängen vor und sichert uns anderen beiden von oben nach. Aufregend genug ist es trotzdem! Nach gut drei Stunden haben wir es alle drei nach oben geschafft. Von hier sieht man weit am Fluss entlang bis hinunter zum Lago Maggiore. Ganz schön respekteinflößend so eine 150m hohe Felswand!

Den Donnerstag verbringen wir in einem anderen Gebiet und lernen noch einiges mehr an Technik, sodass wir am Freitag fit sind in der Mehrseillänge zu dritt zu sichern. Wir wechseln uns in dieses Mal in den vier Seillängen ab — klettern jeweils zwei Routen im Vorstieg und
sichern die anderen beiden nach. Am Abend sitzen wir ein letztes Mal zusammen auf der Picknickdecke. Eine Woche voller Klettern, Natur, Gesprächen, gemeinsam lernen und Spaß haben liegt hinter uns — und mit dem neuen Wissen hoffentlich jetzt noch viele, viele weitere Mehrseillängen vor uns.

Ein riesiger Dank geht raus an Theresa, für diesen großartigen Kurs!

* Das Akronym FLINTA steht für Frauen, Lesben, intersexuelle, nicht-binäre, trans und agender Personen — also für all jene, die aufgrund ihrer Geschlechtsidentität patriarchal diskriminiert werden.